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  Rückblick 1995
Rückblick 1995

Rede zur Verabschiedungsfeier am 28.8.1995 

                           (Auszüge)

Wenn man seinen 65.Geburtstag begeht und gleichzeitig mit dem Abschluß seines offiziellen Berufslebens konfrontiert wird, ist schon ein kleiner Rückblick auf die vergangenen 45 Jahre wissenschaftlicher Arbeit angebracht. Ich kann in dreifacher Hinsicht froh und dankbar sein:
1. weil ich in meinem Arbeitsgebiet das tun und verwirklichen konnte, was ich mir bereits als Gymnasiast ersehnt habe,
2. weil ich in heutiger Zeit bis zu meinem 65. Geburtstag die Möglichkeit zur aktiven Forschungsarbeit hatte,
3. weil ich alle diese Jahre zu jeder Zeit tüchtige und einsatzfreudige Mitarbeiter und Kollegen um mich hatte, mit denen die Zusammenarbeit Freude machte und die insgesamt die Garantie für die Arbeitserfolge gaben.
Mein Berufswunsch Biologe zu werden entsprang weniger einem Drang zum Sammeln und Sortieren von Pflanzen und Tieren. Mein Interesse war vielmehr auf grundsätzliche Seiten des Lebens gerichtet, wie z.B. auf Evolution und besonders auf die Grundlagen tierischen Verhaltens. Und obwohl ich alle Jahre ausschließlich in der angewandten Forschung tätig war, ist es mir gelungen, bei meinen Arbeiten die Aspekte der biologischen Grundlagenforschung zu beachten und einzubeziehen.
Als Student traf ich auf der Suche nach einen Einstieg in die Tierpsychologie auf die Publikationen von Konrad Lorenz und Niko Tinbergen über die Grundlagen tierischer Instinkthandlungen, die mich in besonderem Maße beeindruckten und meine eigenen Arbeiten nachhaltig beeinflussten. Meine Dissertation über die Arbeitsteilung in einem Waldameisenvolk vor 40 Jahren befasste sich letztlich damit, wie in einem solchen Ameisenstaat die relativ starren angeborenen Instinkthandlungen der Ameisen und gleichzeitig die erstaunlich flexiblen regulatorischen Anpassungen der Gesamtreaktionen eines Volkes erklärbar sind. In dieser Zeit, als ich über viele Monate im Labor in gläsernen Nestbauten individuell markierte Ameisenarbeiterinnen täglich beobachtete, wurde ich auf die Individualität der Tiere aufmerksam. Trotz der Grundlage von Instinkthandlungen reagierte jedes Tier auf seine Weise anders. Ich erkannte und kannte individuell stete und unstete, "faule und fleißige", "mutige und ängstliche" ... .Diese Erkenntnis der Individualität und Originalität meiner Forschungsobjekte hat mich meine ganze Berufszeit verfolgt und gefesselt und wurde auch bei meinen letzten Arbeiten am Kartoffelkäfer deutlich. Der Kartoffelkäfer könnte in seiner kleinen Palette von Reaktionen und Verhaltensweisen eher eintönig und langweilig sein, seine Instinkthandlungen eher starr. Zu meiner Überraschung stellte ich fest, dass auch hier ganz individuelle Unterschiede zumindest in der Intensität der Reaktionen und in der Reaktionsbereitschaft ausgeprägt sind, z.B. Unterschiede in der sexuellen Aktivität. Das brachte natürlich Probleme bei der Ausarbeitung eines Biotestes zum Nachweis des weiblichen Sexualpheromons mit sich, die mit statistischen Methoden - meinem zweiten beruflichen Steckenpferd - umgangen werden müssen. (Ein Briefwechsel mit Prof. Jermy, ehemals Direktor des Institutes für Pflanzenschutz in Budapest, bestätigte mich in diesen Erkenntnissen: Auch er beobachtete, dass einige seiner individuell markierten Kartoffelkäfer bestimmte Reaktionen im Labortest besonders gut oder besonders schlecht zeigten, so dass er bei Führungen und Demonstrationen im Labor z.B. immer die Käfer "Joe" und "Jimmi" einsetzte, weil er sich auf die beiden verlassen konnte.) Diese Erfahrungen und Erkenntnisse bewegen mich fasst mehr als die angepeilte Strukturaufklärung des Pheromonmoleküls oder Molekülgemisches, die hoffentlich noch erreicht werden kann.

An einem Tag wie heute fragt man sich schon, was man denn eigentlich geschafft hat. Viele der bearbeiteten Forschungsprogramme betrafen angewandte Forschungsaufgaben im Forstschutz oder in Zusammenarbeit mit der Chemischen Industrie Beiträge zur Insektizidentwicklung, oft sogenannte "Insellösungen", um zu Zeiten der DDR für die landwirtschaftliche Praxis möglichst optimale Lösungen zu schaffen. Das gab die Befriedigung, etwas Notwendiges und Nützliches getan zu haben. Manche Ergebnisse waren aber auch grundsätzlicher Art und von internationalem Interesse. Einige Arbeiten brachten einen methodischen Fortschritt von allgemeiner Bedeutung, so z.B.:
  --- Methode zur Bestimmung des "physiologischen Alters" einer Ameisenarbeiterin am Entwicklungsstatus ihrer Ovarien. (Alter derjenigen, die bei einem Nestumzug tragen und getragen werden;  Alter der Beteiligten an einer Nahrungskette usw.)
  --- Methode zur Bestimmung der Fraßmenge blatt- und nadelfressender Insekten anhand der Zellulosemenge im Futter und in den Exkrementen.
  --- Biochemische, populationsgenetische und evolutionstheoretische Grundlagen zur Bestimmung der Resistenzentwicklung gegen Insektizide und des Resistenzgrades und Ableitung diagnostischer Verfahren.
....
Während ich im Institut für Forstwissenschaften Eberswalde bei meinen Arbeiten zur Forstentomologie und zur Biologie der Waldameisen als Einzelforscher tätig war, konnte ich dann im Institut für Pflanzenschutzforschung Kleinmachnow in meiner Abteilung für Insektenphysiologie einige methodisch orientierte Labore einrichten, in denen gute, spezialisierte Wissenschaftler und Doktoranden arbeitsteilig an den Forschungsaufgaben wirkten. Das waren die Labore für:
 --- Biotestung und Insekten-Toxikologie
 --- Biochemie (Enzymkinetik, [C14]-Metaboliten-Nachweis)
 --- Immunologie (Antikörperherstellung, Markierungen)
 --- Histologie, Histochemie und Immunhistochemie)
 --- Elektrophysiologie (Erregungspotential-Ableitung von Ganglien)
 
Weitere methodische Möglichkeiten wurden bei Kooperationspartnern im Institut erschlossen, so mit dem Isotopenlabor, der Elektronenmikroskopie, dem Massenspektrometer (GC/MS) und mit der Abteilung für organisch-chemische Synthesen.
...
Ich bin froh und dankbar, dass die letzte noch offene Phase der Strukturaufklärung des Sexualpheromons des Kartoffelkäfers im Rahmen einer Kooperation mit einem versierten Partner, mit Prof. Francke von der Universität Hamburg, fortgeführt werden kann und dass ich auf den Fortgang dieser Arbeiten noch weiter Einfluss nehmen kann.
...
Sie finden mich also an diesem heutigen Tag in guter Stimmung was Rückblick und Zukunft betrifft. Besonders bedanken möchte ich mich bei Herrn Prof. Dr. Horst Lyr. Er war mir immer sowohl während meiner Zeit in Eberswalde als auch später in Kleinmachnow ein guter Mentor und Vorbild für die kritische Betrachtung gängiger und verbreiteter Meinungen. Herzlichen Dank allen meinen Wegbegleitern und Mitarbeitern für diese schöne und erfolgreiche Zeit. Es freut mich besonders, viele von ihnen heute in diesem Kreis wiederzusehen. Ihnen allen wünsche ich eine glückliche und sorgenfreie Zukunft.
                                                   Dieter Otto   



 


 
   
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